Wenn Männer heimlich das Kondom abziehen

„Stealthing“ – so nennt sich ein verstörendes Phänomen, das in den letzten Jahren leider immer mehr an Bedeutung gewinnt. Was genau es damit auf sich hat, erfährst du in den nächsten Zeilen.

Was ist Stealthing?

Wer den Begriff „Stealthing“ zum ersten Mal hört, mag zunächst nichts Schlimmes dahinter vermuten. Doch leider ist es nicht ganz so harmlos, denn damit wird das heimliche Entfernen des Kondoms oder auch das Verwenden von mutwillig beschädigten Kondomen während des Sex beschrieben. Im Internet hat sich dazu mittlerweile ein regelrechter Trend entwickelt. So tauschen sich die sogenannten „Stealther“ in Online-Foren darüber aus und geben sich gegenseitig Tipps.

Der Begriff „Stealthing“ kommt vom englischen Wort „Stealth“, das so viel wie Heimlichtuerei bedeutet.

Meist merkt die andere Person erst, was passiert, wenn es schon zu spät ist. Nämlich bei der Ejakulation. Die Folgen von Stealthing können sowohl körperlicher als auch psychischer Natur sein. Neben dem Risiko einer ungewollten Schwangerschaft und der Ansteckung mit sexuell übertragbaren Krankheiten wie HIV, Syphilis oder Chlamydien hinterlässt ein solcher sexueller Übergriff auch in der Seele Spuren. Viele Opfer erleben Stealthing als eine Verletzung ihrer Würde und Autonomie.

Hat Stealthing rechtliche Konsequenzen?

Laut einer Studie des Jacobs Institute of Women’s Health1 hat jede 12. Frau in ihren Zwanzigern bereits Erfahrungen mit Stealthing gemacht. Dennoch ist die aktuelle Rechtslage in vielen Ländern dazu nach wie vor nicht eindeutig geklärt. Das Problem: Stealthing lässt sich vor Gericht nur schwer beweisen. Zudem fällt es vielen betroffenen Personen verständlicherweise schwer, über das Erlebte zu sprechen.

  • In Österreich gibt es bisher keine spezifischen Gesetze, die Stealthing direkt betreffen. Laut dem Bundesministerium für Justiz sind Fälle von Stealthing nach §205a StGB (Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung) strafbar, wenn vorher die Verwendung eines Kondoms vereinbart wurde2. Je nach den Umständen können auch andere bestehende Gesetze zur Anwendung kommen, wie etwa Vorsätzliche Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten3 oder Delikte gegen Leib und Leben (beispielsweise Körperverletzungen).
  • In Deutschland ist Stealthing ganz klar ein sexueller Übergriff und wird als sexueller Übergriff gemäß § 177 Abs. 1 StGB4,5 bewertet. Es kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren geahndet werden. 
  • In den Niederlanden ist ein Mann im Jahr 2023 erstmals wegen Stealthing verurteilt worden und erhielt eine Bewährungsstrafe von 3 Monaten.6
  • Wiederum anders ist die Situation in der Schweiz, wo Stealthing aufgrund einer Gesetzeslücke derzeit höchstens mit einer Geldbuße geahndet wird.7

Was tun, wenn Stealthing passiert

Du hast einvernehmlichen Sex und ihr benutzt ein Kondom. Aber beim nächsten Stellungswechsel ist es plötzlich weg. Und jetzt? Auf jeden Fall solltest du deinen Sexualpartner sofort auf diese Grenzverletzung hinweisen und klar und deutlich sagen, dass du ein solches Verhalten nicht tolerierst. Je nachdem, wie du dich jetzt fühlst, solltest du den Sex auch abbrechen.

Danach solltest du unbedingt eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen, um auszuschließen, dass du dich mit einer sexuell übertragbaren Krankheit angesteckt hast. Erstatte gegebenenfalls auch Anzeige bei der Polizei. Dort erfährst du außerdem, an welche Hilfs- und Beratungsstellen du dich in deiner Nähe wenden kannst.

Aus medizinischer Sicht ist Stealthing ungeschützter Geschlechtsverkehr. Je nach Situation solltest du dich daher auch beim medizinischen Personal informieren, ob du die Pille danach nehmen solltest, um eine ungewollte Schwangerschaft zu verhindern.

Darüber hinaus gibt es auch bundesweite, kostenfreie und anonyme Beratungs- und Hilfsstellen, an die du dich im Fall der Fälle wenden kannst. Hier findest du eine aktuelle Liste mit Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Frauen und Mädchen.